TEKKNOZID – die Medien damals:
Dass wir damals so viele Leute auf die Partys holten,
grenzt eigentlich an ein Wunder. Wir waren nicht nur
ziemlich radikal, es gab zudem überhaupt noch keine
Öffentlichkeit für solche Projekte. Es gab weder das Internet,
noch Kurznachrichten auf Handys. Auch gab es anfangs keine
Medien, die sich für sowas interessierten: "Was, keine Bands,
keine Modenschau und auch keine superdupi schräge Kunstperformances -
nur Disjockeys?"
Deshalb lief fast alles über
Mundpropaganda, kopierte Flyer und kleine
Schwarz-Weiss-Plakate. Die Layouts dafür wurden jedoch nicht am Computer
gemacht, sondern anfangs tatsächlich noch mit Rubbelbuchstaben, Prittstift
und Schere...
In der DDR waren alle Mittel zum Vervielfältigen aus Sicherheitsgründen
'stasibehütet'. Daher gab es im Osten fast überhaupt nichts, womit man irgendwas vervielfältigen konnte.
Und da die Karten für die ersten beiden TEKKNOZID noch in DDR-Mark (7,10 M) verkauft wurden,
konnten wir die Flyer auch nicht einmal so in einem Westberliner
Copyshop vervielfältigen. Tatsächlich wäre es ohne die Mittwochscommunity
aus dem UFO-Cyberspace wohl nie was geworden(?) Denn dort lernten wir Mjik
van Djik und den umtriebigen Helge
Birkelbach kennen. Die beiden arbeiteten "hauptberuflich" im Copyshop und so hatten wir
dann doch noch ein paar Flyer zum Verteilen.
Diese missliche Situation änderte sich zum Glück nachdem die D-Mark auch im Osten eingeführt wurde.
Es gab aber auch andere selbstlose Unterstützer.
In einem Westberliner Plattenladen lernten wir
Barry Graves vom Westberliner Jugendsender Radio for You (Radio4U) kennen. Barry war damals bereits
sowas wie eine lebende Radiolegende. Er träumte immer davon, Radiosendungen zu machen, die nur aus DJ-Mixen
bestanden. Solche Sendungen machte er bereits Anfang der 80er Jahre mit Hilfe von DJ-Mixen aus New York und
San Francisco. Er hatte zunächst keine Ahnung, was wir mit Tekkno meinen würden. Aber er war neugierig
und zu unserem Glück konnten wir ihm einen DJ-Promomix von Roland BPM geben, den Barry dann tatsächlich einen Tag
vor unserem TEKKNOZID in seiner freitäglichen Dance Musik Sendung spielte und so unsere Party bekannt machte.
Nachdem er selbst auf dieser Party war, war er noch mehr begeistert und machte das fortan jedes
Mal: er spielte tatsächlich immer freitags vor den Partys einen Mix von Roland und machte so Tekknozid
und damit Tekkno in Berlin maßgeblich populär. Barry war damit der Erste, der richtigen Techno im Radio spielte.
Die Raveline:
Als Anfang '91 der Ufoclub schloss, verschwand damit auch
der einzige Treff, wo sich große Teile der Szene regelmäßig traf und somit erreichbar war.
Wir hörten damals davon, dass die illegalen Raves in UK über automatische Telefonansagen
verbreitet wurden. Diese Idee entwickelten wir weiter und installierten auf Rolands Telefonanschluss
kurzerhand die "Raveline - das Berliner Partyinphone". Das war technisch einfach nur ein
elektromechanischer Anrufbeantworter.
Jeder, der eine Techno Party machte, konnte
bis Mittwoch Abend seine Infos draufsprechen.
Donnerstag Morgen hat Wolle das ganze dann per
Fernbedienung von einer Telefonzelle abgefragt (im Osten
gab's immernoch keine Telefonanschlüsse) und aus den
gesammelten Infos aller eine neue Ansage für das kommende
Wochenende draufgesprochen. Das Konzpt selbst brauchte
keine Werbung. Die Bandmaschine lief von Donnerstag
bis Sonntag durchgehend und der arme Roland war für
niemand mehr telefonisch erreichbar...
Absurderweise verursachte ausgerechnet diese Innovation eine regelrechte Welle von Medieninteresse.
Techno hatte plötzlich ein eigenes Medium, über welches die Szene sich ohne Einfluss von außen informieren
konnte. Damit kam nicht nur das Medium in die Medien, sondern auch diese Szene mit ihrer neuartigen Musik und
ihren temporären Partys in den Ruinen der alten DDR-Industrie Ostberlins. Ein Mythos entstand und Techno wurde
populär.
Die Musikmedien wurden damals fast ausschließlich
durch die kommerzielle Musikindustrie beherrscht. Die großen
Labels schalteten Annoncen in den Zeitungen.
und bekamen dafür entsprechend viel Platz im redaktionellen Teil.
Das war (ist) zwar eigentlich verboten, läuft aber noch heute leider
oft noch immer so.
Wir hatten von solchen Dingen natürlich
keine Ahnung. Naiv dachten wir wirklich, dass die Musik-Journalisten
ihre ganzen Hypes tatsächlich selbst glauben würden.
Als Techno populär wurde, waren plötzlich
ganz merkwürdige Artists und Leute in den Artikeln. Die XDPs gab es dort nicht
und hatte es scheinbar nie gegeben...
Erst als man sich anfing, für die Geschichte von Techno zu interessieren,
änderte sich das zum Glück.